MELDUNG VOM 1.11.2020

Das Handwerk ist Stabilisator

Präsident Andreas Ehlert hat in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ am ersten Novemberwoche zum zweiten Lockdown in der Corona-Pandemie-Stellung bezogen:

„Wir können uns auf Dauer keine hektische Stop-and-Go-Politik zwischen Lockdown und Lockerung leisten. Wir brauchen klare, einfache Regeln, an die wir uns alle konsequent halten. Nur dann können wir unser Wirtschaftsleben und unser Bildungssystem weitestgehend am Laufen halten.“ 

Seit sechs Jahren ist Andreas Ehlert Präsident der Düsseldorfer Handwerkskammer, die knapp 60.000 Unternehmen mit 330.000 Beschäftigten repräsentiert. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie verweist er darauf, dass das Handwerk vergleichsweise gut dastehe und so die allgemeinen Probleme der Wirtschaft ausgleiche. Zugleich findet er kritische Worte für die politischen Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene.

WELT AM SONNTAG: Herr Ehlert, wie ist das NRW-Handwerk bislang durch die Corona-Krise gekommen?

ANDREAS EHLERT: Das Handwerk hat die bisherigen Auswirkungen der Corona-Pandemie gut bewältigt. Insgesamt hat sich das Handwerk schnell umgestellt. Auf Wendigkeit und Ideenreichtum kommt es jetzt auch an.

Wie ist der Ausblick für den Winter?

Der zweite Lockdown ab dem kommenden Montag betrifft im Handwerk unmittelbar die Kosmetiker, obwohl auch dort überzeugende Hygienekonzepte entwickelt und angewendet wurden. Aber mittelbare Folgen werden nun auch das Handwerk wieder treffen. Es fallen schlichtweg Aufträge weg. Eines wird mir in diesen Tagen klar: Wir können uns auf Dauer keine hektische Stop-and-go-Politik zwischen Lockdown und Lockerung leisten. Wir brauchen klare, einfache Regeln, an die wir uns alle konsequent halten. Nur dann können wir unser Wirtschaftsleben und unser Bildungssystem weitestgehend am Laufen halten.

Wo läuft es denn besonders gut?

Vor allem die Bau- und Ausbauberufe boomen nach wie vor. Aber es gibt Handwerksbranchen, für die die Corona-Krise eine Verschärfung und Beschleunigung ihrer strukturellen Probleme gebracht hat: Die Industriezulieferer und das Kraftfahrzeuggewerbe sind hier zu nennen.

Gab es schon viele Unternehmenspleiten, etwa bei den Messebauern?

Nein, Insolvenzen über das übliche Maß hinaus gibt es im gesamten Handwerkssektor bislang nicht. Hier war natürlich die Soforthilfe von Bund und Land wichtig, ebenso die Kurzarbeit.

Gab es denn ausreichend Hilfe und Unterstützung für alle Betroffenen?

Die Soforthilfe war im Handwerk noch vor der Kurzarbeit das mit Abstand wichtigste und beste Instrument. Hier wurde zum Glück noch bei den Abrechnungsmodalitäten nachjustiert. Man sollte jetzt allerdings vermeiden, dass die Abrechnungsaufforderungen mitten in den zweiten Lockdown hineinplatzen. Gut ist auch, dass jetzt die voll verbürgten Schnellkredite der KfW-Bank auch auf Kleinbetriebe mit weniger als zehn Beschäftigten ausgedehnt werden.

Was erwarten Sie außerdem noch an Impulsen aus der Politik?

Um aus der Corona-Krise herauszukommen, brauchen wir neues Wachstum und neue unternehmerische Lösungen. In der aktuellen Situation sollten deshalb vor allem bürokratische Erschwernisse für die Betriebe auf ein Minimum beschränkt werden. Neue Mühlsteine wie ein Lieferkettengesetz oder ein Recht auf Homeoffice helfen den Betrieben nicht dabei, den Kopf über Wasser zu halten. Steuerliche und bürokratische Entlastungen sind für die unternehmerische Kreativität und Freiheit viel nützlicher als steuerfinanzierte Subventionen.

Und mit welchen eigenen Wachstumsstrategien trotzt das Handwerk der Corona-Pandemie?

Es haben viele Handwerker im und nach dem Lockdown die Zeit genutzt, um ihr Leistungsangebot neu auszurichten. Neue digitale Technologien spielen dabei eine wesentliche Rolle – in der Gebäudetechnik, in der Medizintechnik oder rund um die Mobilität. Auch Online-Vertrieb wird immer wichtiger. Und ich erlebe eine neue Gründungskultur im Handwerk. Da gibt es Startup-Kultur vom Feinsten, aber mit großer Ausdauer und Substanz!

Kann das Handwerk der NRW-Wirtschaft also derzeit besondere Impulse für einen Wiederaufschwung geben?

Das Handwerk ist im Augenblick klar ein Stabilisator in der Krise, weil die vielen kleinen Betriebe so anpassungsfähig sind. Die Arbeit ist ja dageblieben und die Nachfrage nach Fachkräften und Auszubildenden ungebrochen.

Gelingt es denn in diesem Krisenjahr, genug Nachwuchs zu gewinnen? Gibt es noch offene Ausbildungsstellen?

Das Ausbildungsangebot der Unternehmen ist weiterhin groß. Deshalb können Interessenten auch jetzt noch und bis in den Winter hinein eine Lehre beginnen. Wer jetzt in der Corona-Krise nach beruflichen Perspektiven sucht, der kann sie im Handwerk finden. Hier gibt es jede Menge Berufe, die man sich zur Berufung machen kann.

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Welt am Sonntag, Nr. 44
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