Vorstandsbeschluss zu Corona-Perspektiven

Vertrauen und Zuversicht durch berechenbare Strategie

Beschluss des Vorstandes von HANDWERK.NRW vom 14.1.2021

Das Handwerk als Stabilitätsanker in der Krise

Das Handwerk ist mit seinen 190.000 Betrieben und 1,1 Mio. Erwerbstätigen von der Corona-Krise ganz unterschiedlich betroffen. In vielen Gewerken ist die wirtschaftliche Stimmung gut – mit ordentlichen Umsätzen und stabilen Aufträgen. Sie erweisen sich mit ihren mittelständischen Strukturen als Stabilitätsanker für die gesamte Wirtschaft. Aber es gibt auch Branchen, die derzeit massiv unter Schließungen und Umsatzeinbußen leiden, obwohl sie geeignete Schutzmaßnahmen gewährleisten könnten. Trotz vieler Stabilisierungshilfen, die Bund und Land bereitstellen, gibt es dort viele Betriebe, die inzwischen ihre Rücklagen aufgezehrt haben und deren Bestand gefährdet ist. Viele stellen sich die Frage, wie lange sie noch durchhalten können.

Deshalb ist auch uns im Handwerk die schwierige Situation der Corona-Politik bewusst: Einerseits müssen wir das öffentliche Leben herunterfahren und Infektionsrisken minimieren, andererseits müssen wir auch die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Maßnahmen immer wieder sorgfältig prüfen und abwägen. Auch wir ringen um die Frage, was jetzt notwendig und verantwortbar ist.

Überbrückungshilfen schneller bewilligen und auszahlen, Antragsverfahren entbürokratisieren!

Die verschiedenen Krisenhilfen, die Bund und Länder bereitgestellt haben, waren richtig. Aber diese Instrumente stoßen, je länger die Krise dauert, an ihre Grenzen. Manche Probleme bei den Antragsvoraussetzungen und bei den Auszahlungszeiträumen müssen noch gelöst werden – so z.B. für diejenigen Betriebe, die wie die Friseure erst im Dezember vom Lockdown betroffen wurden und auf eine echte Förderlücke stoßen. Wir fordern einen Expertenrat mit Praktikern aus der Wirtschaft, der schnell Vorschläge zum Abbau bürokratischer Hemmnisse bei den Krisenhilfen machen kann. Dass der Mittelbabfluss bei den Hilfen so gering ist, zeigt, dass manche Förderinstrumente zu komplex angelegt sind. Wegen unklarer Rechtsfragen verzögert sich die Bearbeitung durch die Steuerberater, und viele Unternehmen geraten in eine Liquiditätsfalle, weil sie sich auf staatliche Überbrückungshilfen verlassen, ohne dass deren Bewilligung sichergestellt ist. Ohne Öffnungsperspektive und schnellere Auszahlungsrhythmen droht vielen Betrieben hierdurch das Aus.

Steuerliche Lösungen zur Liquiditätssicherung angehen!

Im weiteren Verlauf der Krise sollten auch unkomplizierte steuerliche Lösungen geschaffen werden, die von jedem Betrieb genutzt werden können – etwa Verbesserungen bei den Verlustrückträgen und der Thesaurierungsrücklage oder bei Sonderabschreibungsmöglichkeiten. Für viele Betrieben wäre auch eine Erleichterung, wenn die Zahlungsfrist für die Umsatzsteuer verlängert würde. Konkret und schnell würde helfen, wenn die Betriebe während der Corona-Krise erst später die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen an das Finanzamt abführen müssen. Damit könnte insbesondere solchen Betrieben wirkungsvoll geholfen werden, die die Anforderungen der anderen Krisenhilfen nicht erfüllen, aber trotzdem empfindliche Umsatzeinbußen auffangen müssen. Wir dürfen jetzt keine Debatte über neue Belastungen führen, sondern die Strukturprobleme der Unternehmensbesteuerung im Mittelstand angehen. 

Verlässliche Perspektiven schaffen!

Die von Bund und Ländern verabredete Verlängerung des zweiten Lockdowns bedeutet für ganz Deutschland einen schmerzhaften Start ins Jahr 2021. Es geht jetzt um Solidarität, Verzicht und Gesundheitsschutz. Geduld und Ausdauer sind gefragt, damit wir diese Krise gemeinsam überstehen. Jetzt müssen wir Impfungen vorantreiben und Risikogruppen wirksam schützen. Die Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens ändern sich schnell, es herrscht zunehmend Verunsicherung darüber, wie es weiter geht. In dieser schwierigen Situation kommt es darauf, den Menschen im Handwerk und in anderen Bereichen der Gesellschaft eine verlässliche, berechenbare Perspektive zu geben. Nur daraus erwächst Vertrauen in die Notwendigkeit von Einschränkungen, nur daraus erwächst Zutrauen in die Zukunft.

Eine realistische Öffnungsperspektive entwickeln!

Auf der Grundlage einer erfolgreichen Eindämmungsstrategie müssen wir allen betroffenen Branchen eine verlässliche und realistische Perspektive aufzeigen, unter welchen Bedingungen eine Öffnung des Geschäftsbetriebs wieder möglich ist. In allen Branchen des Handwerks gibt es nach den Erfahrungen der vergangenen Monate überzeugende Hygienekonzepte der Berufsgenossenschaften, die von den Betrieben schon jetzt oftmals übererfüllt werden. Im medizinischen Sektor hat die durchgängige Nutzung von geeigneten Masken (FFP2, KN95 oder N95) das Ansteckungsrisiko weitestgehend minimiert. Solche Masken lassen sich auch im Handwerk bei Verkaufsgesprächen oder Dienstleistungen mit Kundenkontakt einsetzen und können Voraussetzung für eine Wiederöffnung betroffener Gewerke sein – zum Beispiel in Autohäusern, bei Friseuren und Kosmetikern oder im Café- und Imbissbetrieb der Lebensmittelhandwerke. Im Handwerk herrscht Verständnis dafür, dass nicht alles sofort wieder möglich sein wird. Aber die betroffenen Betriebe müssen wissen, woran sie sind und unter welchen Bedingungen sie wieder arbeiten können, wenn sie in die Zukunft investieren sollen. Diese Perspektive müssen wir jetzt aufzeigen. Sonst wäre die Stabilisierungspolitik der vergangenen Monate in vielen Fällen umsonst gewesen.

Bildung ermöglichen!

Es ist gut und richtig, dass wenigstens ein rudimentäres Betreuungsangebot für Kinder gewährleistet wird. Gerade kleine Betriebe können schnell lahmgelegt werden, wenn es wegen fehlender Betreuungsmöglichkeiten zu Personalausfällen kommt. Wir müssen daher noch mehr Kreativität entwickeln, wie wir die Kinderbetreuung, den Schulbetrieb und die berufliche Bildung mit konsequenten Hygienekonzepten sobald wie möglich wieder ermöglichen können. Die Aus- und Fortbildung junger Menschen hat für uns klare Priorität. Die Wirtschaftsselbstverwaltung nutzt immer stärker die Möglichkeiten der Digitalisierung für die Organisation und Durchführung von Bildungsangeboten und Prüfungen. Hier sehen wir jedoch weiteren Handlungs- und Unterstützungsbedarf – sowohl bei der Hardware als auch bei der Software und der digitalen Infrastruktur. Zur Besetzung der Ausbildungsplätze im Handwerk in 2021 benötigen wir von Schülerinnen und Schülern angenommene (digitale) Ausbildungsbörsen sowie angebotene und nachgefragte Betriebspraktika.

E-Government vorantreiben!

Viele Betriebe klagen über schleppende und widersprüchliche Kommunikation der Gesundheitsbehörden und der Landschaftsverbände bei Infektions- oder Quarantänefällen, so dass unnötige Kosten und Risiken entstehen und Kostenerstattungen nur verzögert werden. Bloße „Empfehlungen“ des Staates ohne rechtliche Verbindlichkeit sorgen für Rechtsunsicherheit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Viele Betriebe klagen auch über langwierige Verfahren und eingeschränkte Arbeitsfähigkeit in Kfz-Zulassungsstellen oder in Baubehörden. Konkret brauchen wir flächendeckend die Möglichkeit zur Online-Anmeldung von Fahrzeugen und die Einführung digitaler Bauakten. Wir müssen die Digitalisierung der Verwaltung dringend vorantreiben, um die Kosten der Pandemie gering zu halten. Wir müssen jetzt unnötige Hemmnisse für das wirtschaftliche Leben aus dem Weg zu räumen und dabei vorausschauend auch solche Branchen im Blick haben, die bislang gut durch die Krise gekommen sind, aber unter nachlassenden Auftragsbeständen leiden.

Die Krise als Chance nutzen, an der Zukunft arbeiten!

Bei allen Herausforderungen haben wir keinen Grund, uns von dem Corona-Virus verunsichern zu lassen. Uns ist in den vergangenen Monaten vielleicht sogar durch die Krise bewusster geworden, was uns wichtig ist und worauf wir stolz sein dürfen. Das Handwerk kann mit allem Selbstbewusstsein nach vorne blicken. Denn es ist aus Tradition innovativ und kreativ. Hier werden neue Ideen erprobt. Und manches, was wir jetzt improvisieren, wird sich auf Dauer durchsetzen und uns stärker machen. Mittelständisches Unternehmertum und berufliche Bildung sind wichtiger und wertvoller denn je. Hier wird an der Zukunft gearbeitet.

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