Die Corona-Krise als Reformmotor

Digitalisierung in Mittelstand und Verwaltung jetzt vorantreiben!

Beschluss des NRW-Handwerksrates vom 20.11.2020

Die Corona-Pandemie zwingt uns dazu, persönliche Kontakte und Begegnungen stark zu reduzieren. Das wird unser gesellschaftliches Leben und unsere Arbeitswelt langfristig verändern - insbesondere durch den verstärkten Einsatz von digitalen Technologien. Die Herausforderungen, die sich daraus für mittelständische Unternehmen und öffentliche Verwaltungen ergeben, sollten wir als Chance begreifen, bevorstehende Veränderungen und Reformen schneller und bewusster anzusteuern. Wenn wir jetzt entschlossen anpacken, können wir am Ende gestärkt aus der Krise hervorgehen. Auf folgende Punkte kommt es dabei aus Sicht des Handwerks jetzt an:

  1. Handwerksbetriebe können nur dann die Chancen der Digitalisierung für sich nutzen, wenn ihnen an allen Standorten eine hervorragende und resiliente Glasfaser-, Breitband- und Mobilfunkinfrastruktur zur Verfügung steht. Der flächendeckende Ausbau der digitalen Infrastruktur muss daher entschlossen vorangetrieben werden. Das ist gerade für die Entwicklungsmöglichkeiten des ländlichen Raums entscheidend.
  2. Viele Handwerksbetriebe weisen bereits heute einen hohen Digitalisierungsgrad auf oder unterstützen als Ausrüster und Dienstleister ihre Kunden aktiv bei weiteren Digitalisierungsschritten. Es gibt aber auch viele "digitale Nachzügler" im Handwerk, deren Geschäftsmodelle bislang auch mit einem niedrigen Digitalisierungsgrad funktionieren. Aber der Veränderungsdruck wird zunehmen. Es wird deshalb in den kommenden Jahren darauf ankommen, dass die Betriebe durch fachliche Informations- und Beratungsangebote, durch Investitionsförderung und nicht zuletzt durch agile Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote auf ihren Wegen unterstützt werden. So sollte das Bundesprogramm "Digital jetzt" durch eine "Digitalisierungsprämie" ergänzt werden, die auch kleinen Betrieben mit kleinen Investitionsvorhaben vergleichbare Förderzugänge eröffnet. Die nordrhein-westfälischen Handwerksorganisationen erarbeiten derzeit unter Federführung des WHKT eine detaillierte Agenda zur Digitalisierung im Handwerk.
  3. Die "digitale Plattformökonomie" wächst in ihrer Entwicklung rasant. Gerade für das lokal agierende und vernetzte Handwerk bietet dieses Geschäftsmodell eine Vielzahl von unternehmerischen Chancen. Das Handwerk begrüßt, dass in der aktuellen Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen die wettbewerbs- und kartellrechtlichen Probleme von digitalen Plattformen angegangen werden. Dennoch müssen die Marktentwicklungen weiter beobachtet werden. Gegebenenfalls muss nachjustiert werden, damit die Digitalisierung den Wettbewerb im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher fördert und ihn nicht durch neue Vermachtungstendenzen behindert.
  4. Wie sich Märkte in der Digitalisierung entwickeln, hängt entscheidend davon ab, für wen welche digitalen Daten verfügbar und nutzbar sind. Auch in wichtigen Märkten des Handwerks verändern sich durch Vernetzung und Integration die Geschäftsmodelle grundlegend - beispielsweise bei "Smart Home" und "Smart Mobility" oder in der Gesundheitswirtschaft. Auch an dieser Stelle muss der Gesetzgeber die unternehmerische Leistungserbringung absichern, um Marktbeschränkungen von Beginn an auszuschließen und den Wettbewerb zu ermöglichen. Ein richtiger und praxistauglicher Ansatz ist es, weitgehende Nutzungsrechte für diese Daten einzuräumen und die Frage des Dateneigentumsrechtes nachrangig zu betrachten.
  5. Ein flächendeckendes digitales Angebot der öffentlichen Verwaltung ist nur mit einer konsequenten Vernetzung denkbar. Das in NRW entwickelte Wirtschaftsserviceportal (WSP) oder das Onlinezugangsgesetz (OZG) greifen diesen Ansatz konsequent auf und müssen in diese Richtung weitergeführt werden. Hierzu sind vor allem die im unternehmerischen Alltag befindlichen vielen "Schnittstellen" zu vereinheitlichen. Dies ist insbesondere für Vergabeverfahren wichtig. Insgesamt muss sichergestellt werden, dass die Digitalisierung von Verwaltungsverfahren tatsächlich zu bürokratischen Entlastungen für die Betriebe führt und dass keine neuen Hürden aufgebaut werden. 
  6. Ein effektives und vereinfachtes Vergaberecht und die großzügige Ausstattung von Investitionsförderprogrammen laufen ins Leere, wenn die hierzu notwendigen Planungs- und Genehmigungsverfahren zu langwierig und hemmend bleiben. Nach wie vor werden viele dieser Verfahren noch in Papierform abgewickelt. Land und Kommunen sollten alles daran setzen, die Antragstellung und Bearbeitung von Genehmigungsverfahren aller Art zu digitalisieren und dadurch zu einer wesentlichen Vereinfachung und Beschleunigung zu kommen.
  7. Die digitale Abwicklung als Regelfall ermöglicht eine schnelle, kurzfristige und einheitliche Umsetzung von den vielen Pflichten und Auflagen im unternehmerischen Alltag. Gerade bei der Vorhaltung und Übermittlung der Vielzahl an betrieblichen Statistiken und Daten können digitale Angebote einen wesentlichen Beitrag zur Entbürokratisierung leisten, ohne dass notwendige Informationen verloren gehen. Das "Once-only-Prinzip" ist der Königsweg zur wirksamen Entlastung der Betriebe und zur Verbesserung der Statistikqualität.
  8. Es bestehen in den Kommunen schon viele gute Ansätze zur Umstellung auf eine weitestgehend digitale Verwaltung. Um die Dinge weiter voranzutreiben, kommt es darauf an, Erfahrungswissen miteinander zu teilen, Lernprozesse anzustoßen und zu weiteren Reformschritten zu ermutigen. Die Unterstützung von digitalen Modellkommunen, die anschließende Hervorhebung von Best-Practice-Modellen und ein Monitoring der Digitalisierungsgrade der Verwaltungen bieten eine transparente Übersicht über den Markt der Möglichkeiten.
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