Jetzt Impulse für Konjunktur, Innovation und Wachstum in Nordrhein-Westfalen setzen!
Der Vorstand von HANDWERK.NRW hat am 22. Juni einen Beschluss zur aktuellen Konjunkturpolitik beschlossen.
Er fordert darin ein Nachsteuern bei den Krisenhilfen, die Unterstützung von Innovationsprozessen und Maßnahmen zur dauerhaften Entlastung von Unternehmen und Beschäftigten.“
Die Bundesregierung hat am 3. Juni mit dem Papier "Corona-Folgen bekämpfen, Wohlstand sichern, Zukunftsfähigkeit stärken" ein beachtliches Konjunkturprogramm vorgelegt. Darin werden viele Impulse gesetzt, die unser Land jetzt braucht. Damit greift die Bundesregierung viele richtige Forderungen auf, die die nordrhein-westfälische Landesregierung mit ihrem 10-Punkte-Programm vom 22. Mai vorgelegt hat. Das nordrhein-westfälische Handwerk begrüßt diese Initiativen zu einer entschlossenen Konjunktur- und Wachstumspolitik. Um die Kosten und Folgen der Corona-Krise zu überwinden, benötigen die Unternehmen in Nordrhein-Westfalen jetzt bestmögliche Rahmenbedingungen für unternehmerische Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft. Dazu sollte das Land in eigener Zuständigkeit durch zielgenaue Krisenhilfen weitere mittelstandspolitische Akzente setzen.
1. Krisenhilfen nachsteuern!
Inzwischen dürfen alle Handwerksbetriebe unter Beachtung notwendiger Hygieneregeln wieder arbeiten. Aber es gibt Betriebe, die durch die Krise existentiell gefährdet sind oder in den kommenden Monaten noch in Gefahr geraten werden.
Deshalb sollte sich das Land Nordrhein-Westfalen gegenüber dem Bund für die Nachbesserung folgender Instrumente der Krisenhilfe einsetzen:
- Die angekündigten Erleichterungen der Bundesregierung zum Verlustrücktrag bewerten wir positiv. Sie sollten noch verbessert werden, indem der Rücktragzeitraum auf mindestens zwei Jahre ausgeweitet wird. Das wäre für viele kleine und mittlere Betriebe eine praktikablere Lösung als die Inanspruchnahme von komplexen Förderdarlehen oder anderen Instrumenten der Liquiditätssicherung.
- Das vom Bund angekündigte branchenunabhängige Härtefallprogramm für besonders stark und lange von der Krise betroffene Unternehmen wird für viele Betriebe des Handwerks aufgrund der engen Antragsvoraussetzungen nicht in Frage kommen. Um besonders getroffenen Betrieben eine Überlebensperspektve zu eröffnen, sollten die nachzuweisenden Zeiträume der Anspruchsberechtigung flexibilisiert und Möglichkeiten geschaffen werden, Nachweise nur für einzelne, besonders betroffene Betriebsteile zu erbringen.
Das Land Nordrhein-Westfalen sollte im eigenen Zuständigkeitsbereich folgende Punkte nachsteuern:
- Die Handwerksorganisationen haben die schnelle Umsetzung der Soforthilfe begrüßt und unterstützt. Um den Erfolg der Initiative nachhaltig zu sichern, ist es unerlässlich, für die Betriebe Rechtssicherheit im Hinblick auf mögliche Rückzahlungsverpflichtungen zu schaffen und dabei das von den Betrieben in die Soforthilfe gesetzte, berechtigte Interesse nicht zu enttäuschen. Wenn dies auf Bundesebene nicht erreichbar ist, sollte das Land Nordrhein-Westfalen eine eigene Lösung entwickeln, die zumindest die Anrechnung der Personalkosten als Betriebsausgaben ermöglicht.
- Nach wie vor fehlen für Betriebe mit weniger als 10 Beschäftigten Förderangebote analog zum KfW-Sofortkredit mit 100%-Haftungsfreistellung oder ausreichende Bürgschaftsangebote. Diese Lücke muss das Land NRW mit der NRW.Bank schließen.
- Je nachdem, wie sich die wirtschaftliche Lage im Sommer und Herbst entwickelt, sollte sich das Land Nordrhein-Westfalen offen halten, die Überbrückungshilfe des Bundes zu ergänzen.
2. Innovationsprozesse unterstützen!
Vorübergehende konjunkturelle Impulse sind jetzt richtig und wichtig. Der Weg aus der Krise führt aber letztlich nur über Innovationen, die die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erhöhen. Nur durch Wachstum gewinnen wir wirtschaftliche Stärke zurück. Im Konjunkturprogramm des Bundes finden sich viele Ansätze zur Unterstützung der digitalen Transformation, die das Land Nordrhein-Westfalen durch folgende Ergänzungen konkretisieren sollte:
- Der Ausbau der digitalen Infrastruktur muss für alle Regionen des Landes entschlossen vorangetrieben werden.
- Das Konjunkturprogramm des Bundes sieht ein Förderprogramm vor, um den Auf- und Ausbau von Plattformen zu unterstützen und KMU zur beschleunigten digitalen Transformation zu befähigen. Das Land Nordrhein-Westfalen sollte Unternehmen darin unterstützen, solche Mittel zu akquirieren.
- Über das Programm "Mittelstand Innovativ & Digital" hinaus sollte das Land Nordrhein-Westfalen Digitalisierungsinvestitionen kleiner und mittlerer Betriebe unterstützen. Eine Digitalisierungsprämie sollte investive Maßnahmen ermöglichen, die Unternehmen in die Lage versetzen, weitere Digitalisierungsschritte zu unternehmen.
3. Ausbildung sichern!
Unser besonderes Augenmerk gilt dem Ausbildungsmarkt. Ohne tatkräftiges Gegensteuern droht zum Herbst ein Einbruch bei den Ausbildungszahlen - nicht nur im Handwerk. Das wirkt sich mittelfristig negativ auf die Fachkräftesicherung und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen aus. In Nordrhein-Westfalen müssen wir uns in den kommenden Monaten auf folgende Punkte konzentrieren:
- Ausbildungsverträge müssen kontinuierlich weiter abgeschlossen werden. Betriebe und Bildungszentren des Handwerks sind darauf eingestellt, dass dieser Prozess bis Ende Oktober, ggfs. auch bis ins neue Jahr hinein andauern wird. Wichtig ist, dass das Land auch die Berufskollegs organisatorisch darauf vorbereitet, einen verzögerten Start in das Ausbildungsjahr zu ermöglichen.
- Betriebliche Ausbildung hat für uns absolute Priorität. Vorsorglich müssen wir uns aber darauf vorbereiten, dass wir sowohl unversorgten Bewerberinnen und Bewerbern sowie Auszubildenden, deren Ausbildungsbetriebe von Insolvenz bedroht sind, überbetriebliche Lösungen anbieten können. Die Schaffung von zusätzlichen Ausbildungskapazitäten kann ein notwendiger Schritt im Herbst werden. Die Handwerksorganisationen sind bereit, dies mit ihren Bildungszentren zu unterstützen. Die Versorgung der Betriebe mit Schulabgängerinnen und Schulabgängern für unbesetzte Ausbildungsstellen muss die gleiche Priorität besitzen. Es darf infolge der Corona-Krise nicht dazu kommen, dass potentielle Bewerberinnen und Bewerber in rein schulischen Angeboten aufgefangen und damit für die duale Berufsbildung verloren gehen.
- Die angekündigte Ausbildungsprämie kann motivierend und stabilisierend wirken. Dafür ist wichtig, dass sie so ausgestaltet wird, dass sie auch kleine Ausbildungsbetriebe erreicht und unbürokratisch ausgestaltet wird. Alle Anstrengungen sind darauf zu richten, dass Ausbildungsbetriebe in Kontakt zu potentiellen Auszubildenden kommen und das Matching zwischen Bewerberinnen und Bewerbern sowie den Ausbildungsbetrieben gelingt.
4. Konjunkturimpulse stärken!
Es war für das Handwerk wichtig, dass Nordrhein-Westfalen die Strategie der verantwortbaren Öffnungen schrittweise und weitgehend umgesetzt hat. Nun müssen schnelle Konjunkturimpulse die Nachfrage wieder in Gang setzen und Vertrauen schaffen.
- Die angekündigte Mehrwertsteuerabsenkung ist als Konsumanreiz im Grundsatz richtig. Allerdings ist die Umstellung für die Unternehmen mit großem Aufwand verbunden. Um das Konsumklima zu stabilisieren, wäre mehr Konstanz in der Steuerpolitik wünschenswert. Nordrhein-Westfalen sollte sich deshalb im Bund dafür einsetzen, dass die Absenkung der Mehrwertsteuer deutlich verlängert oder gar verstetigt wird.
- Für das Handwerk ist die Investitionstätigkeit der Kommunen von großer Bedeutung. Angesichts der verschärften Krise der Kommunalfinanzen droht hier ein empfindlicher Rückgang. Die kommunalen Investitionen müssen stabilisiert werden - u.a. durch möglichst geringe Eigenanteile der Kommunen bei Investitionen im Städtebau und Klimaschutz. Nachdem der Bund richtigerweise angekündigt hat, einen höheren Anteil der kommunalen Soziallasten zu übernehmen, muss auch das Land Nordrhein-Westfalen nachlegen, um eine nachhaltige Stabilisierung der Kommunalfinanzen ohne Fehlanreize zu ermöglichen. Sonst drohen höhere Belastungen durch kommunale Hebesätze, die die Wirtschaftskraft vor Ort schwächen.
- Das Land Nordrhein-Westfalen und die Kommunen müssen das E-Government konsequent ausbauen, damit wirtschaftsrelevante Verwaltungsdienstleistungen wie Kfz-Zulassung, Baugenehmigungen oder gewerberechtliche Verfahren zügig und unbürokratisch erfolgen. Hier haben sich in der Corona-Krise ebenso wie im Bildungssektor große Defizite gezeigt, die schnell behoben werden müssen. Wenn wichtige Fachverwaltungen nicht arbeitsfähig sind, werden sie zum Nadelöhr und gefährden die wirtschaftliche Erholung.
5. Unternehmen und Arbeitnehmer dauerhaft entlasten!
Die konjunkturellen Impulse werden dort am besten wirken, wo sie Unternehmen, Arbeitnehmern und Verbrauchern echte Entlastung bringen. Deshalb sollte die Reduzierung von steuerlichen und bürokratischen Belastungen Teil einer dauerhaften Wachstumsstrategie werden.
Das Land Nordrhein-Westfalen sollte sich im Bund daher für weitere Entlastungen einsetzen:
- Der Solidaritätszuschlag muss sofort und vollständig abgeschafft werden.
- Wir brauchen eine Unternehmenssteuerreform, die systematische Wettbewerbsnachteile für vollhaftende Eigentümerunternehmer abbaut.
- Wir brauchen ein Moratorium für neue Belastungen aller Art. Dazu gehört eine dauerhafte Begrenzung der Sozialversicherungsbeiträge. Auch die drohende Erhöhung der Rundfunkbeiträge ist fehl am Platze.
- Die Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge muss korrigiert werden.
- Die Belastungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch Lohnnebenkosten sollten dauerhaft begrenzt und verringert werden.
Seine eigenen Spielräume zur Reduzierung von steuerlichen und bürokratischen Belastungen muss das Land Nordrhein-Westfalen nutzen und damit eine Vorreiterrolle übernehmen:
- Nordrhein-Westfalen muss seine Strategie der "Entfesselung" konsequent fortsetzen. Vielfältige Vorschläge des Handwerks zur Reduzierung von Statistik- und Dokumentationspflichten und zur Vereinfachung von gewerberechtlichen, vergaberechtlichen und arbeitsrechtlichen Regulierungen liegen vor, die es aufzugreifen gilt.
- Nordrhein-Westfalen muss die Grunderwerbsteuer senken.
- Nordrhein-Westfalen muss eine bürokratiearme Lösung für die Grundsteuer entwickeln.
6. Tragfähigkeit der Staatsfinanzen bewahren!
Die Politik der "schwarzen Null" war eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass unser Land in der historischen Krise handlungsfähig war. Das dürfen wir auch jetzt nicht aus dem Blick verlieren. Der Staat muss derzeit viel Geld in die Hand nehmen, damit die wirtschaftliche Erholung gelingt und die Märkte wieder in Gang kommen. Daran dürfen wir uns aber nicht als Dauerzustand gewöhnen. Ungebremste Staatsverschuldung und politisch bedingte Niedrigzinsen gefährden langfristig Innovation, Wohlstand, Vermögensbildung und Vorsorge und wirken mittelstandsfeindlich. Deshalb müssen wir langfristig die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen und der sozialen Sicherungssysteme im Auge behalten und einen glaubhaften Weg zur Konsolidierung aufzeigen. Nicht Verschuldung, sondern Währungsstabilität, Wachstum und Innovation sichern unseren Wohlstand. Daran müssen wir uns auf allen politischen Ebenen orientieren. Das ist unser aller Verantwortung im Interesse künftiger Generationen.