11. Januar 2024
Neue Impulse für Bauwirtschaft und Wohnungsbau aus Sicht des Handwerks
Nach Jahren des Booms steckt die Bauwirtschaft in einer tiefen Krise. Die Zahl der Baugenehmigungen ist eingebrochen. Viele Projekte für den Wohnungsbau und die Modernisierung des Gebäudebestandes sind gestoppt. Auch im Handwerk ist die Krise angekommen: Immer häufiger melden die Betriebe rückläufige Auftragseingänge, Zurückhaltung bei Investitionen und Abbau von Beschäftigung. Dabei ist es jetzt dringender denn je, Wohnraum zu schaffen und Investitionen für mehr Klimaschutz und Energieeffizienz zu tätigen. Die Haushaltskrise des Bundes macht zugleich klar, dass der Spielraum für Förderpolitik endlich ist. Umso wichtiger wird es werden, dass das Bauen durch den Abbau von übermäßiger Regulierung und unnötiger Bürokratie einfacher und preiswerter wird. Mit der Einführung der Kleinen Bauvorlageberechtigung ab 1.1.2024 leistet das Land NRW dazu einen konkreten Beitrag.
Aus Sicht des Handwerks kommt es jetzt auf folgende Maßnahmen an:
1.) Schnelle Umsetzung des Maßnahmenpakets der Bundesregierung
Das 14-Punkte-Programm der Bundesregierung vom September 2023 geht größtenteils in die richtige Richtung und sollte zügig umgesetzt werden. Besonders positiv ist, dass EH 40 als gesetzlicher Neubaustandard ausgesetzt wurde und dass eine degressive AfA für neu errichtete Wohngebäude eingeführt wird. Insbesondere die Einführung eines „Gebäudetyps E“ mit mehr Gestaltungsfreiheit für nachhaltiges und einfaches Bauen kann einen Beitrag leisten, Bauen schneller und preiswerter zu machen.
2.) Verzicht auf eine bauplanungsrechtliche Sonderregelung für Wohnungsbau zulasten von Gewerbestandorten
Während alle Maßnahmen zur gezielten Entbürokratisierung, Vereinfachung von Baustandards und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsgefahren aus dem 14- Punkte-Programm ausdrücklich unterstützt werden, ist eine Anpassung des Bauplanungsrechts in Form einer an die Generalklausel des § 246 Absatz 14 Baugesetzbuch angelehnte Sonderregelung für den Wohnungsbau (Punkt 3 des Maßnahmenpakets) kritisch zu bewerten. Ein dazu vom Bundesbauministerium vorgelegter Entwurf eröffnet die Möglichkeit, von den Vorschriften des Baugesetzbuches in erheblichem Umfang abzuweichen, was aufgrund höherer Verwertungsmöglichkeiten von Gewerbegrundstücken zu einer Verdrängung von Handwerksbetrieben durch Wohnungsbau führen und eine geordnete städtebauliche Entwicklung erheblich gefährden kann. Die von einer potenziellen Verdrängung bedrohten Betriebe sind aber zentrale Akteure für die örtliche Versorgung und den Wohnungsbau, deren Standorte – auch im Sinne nutzungsgemischter Stadtstrukturen – gesichert werden müssen.
3.) Zulassung des Standards EH 55 bei KfW-Förderung
Der Neubaustandard EH 55 sollte auch wieder als Voraussetzung für die Inanspruchnahme von KfW-Förderprogrammen gelten dürfen, um Baukosten spürbar zu senken.
4.) Erhöhung des Kredithöchstbetrag beim KfW-Programm „Wohneigentum für Familien“
Das KfW-Förderprogramm „Wohneigentum für Familien“ sollte durch eine erneute Anhebung des Kredithöchstbetrages nachjustiert werden. Der Kredithöchstbetrag von 170.000 bis 270.000 Euro ist mit Blick auf die hohen Immobilienpreise zu niedrig. Zudem sollte der Kreis der Fördermittelberechtigten erweitert werden, z.B. auf junge Paare, die noch keine Kinder haben.
5.) Ganzheitliche Systematik in der BEG-Förderung
Die Bundesförderung für Effiziente Gebäude (BEG) führt derzeit zu Fehlanreizen, weil sie Maßnahmen zur Gebäudehülle und zur Gebäudetechnik unterschiedlich behandelt. Die Fördersystematik muss das Gebäude als System begreifen und sollte keine Unterscheidung zwischen Wärmeversorgung und Gebäudehülle machen.
6.) Verzicht auf eine NRW-Rohstoffabgabe
Das Land NRW sollte auf die laut Koalitionsvertrag zum 1. Januar 2024 geplante Einführung einer Rohstoffabgabe auf Kies und Sand verzichten. Sie würde nur zu längeren Lieferketten und zu einer weiteren Steigerung der Baukosten führen und steht im Widerspruch zur Absicht der EU, bei kritischen Rohstoffen die Abhängigkeit von langen Lieferketten zu reduzieren.
7.) Rechtssichere Definition des Abfallendes für Recyclingstoffe
Für den sparsamen Umgang mit Rohstoffen und für die Verwendung von Recycling-Material sollte zügig eine rechtssichere Regelung zur Bestimmung des Endes der Abfalleigenschaften vorgelegt werden. Es braucht auch einen Bewusstseinswandel beim Einsatz von Recyclingbaustoffen. Mit dem Einbau von Recyclingbaustoffen sind keine Minderungen der Produktqualität oder Verlässlichkeit verbunden.
8.) Verfüllung statt Deponierung von Bodenaushub
Deponiekosten sind ein großer Kostenfaktor der Bauwirtschaft. Es sollten daher die rechtlichen Möglichkeiten ausgeweitet werden, dass Bodenaushub wieder verfüllt werden kann und nicht deponiert werden muss.
9.) Absenkung der Grunderwerbsteuer
Das Land NRW sollte die Grunderwerbsteuer reduzieren und die rote Laterne als Höchststeuerland abgeben. Zugleich sollte es sich dafür einsetzen, dass auf Bundesebene ein Freibetrag für selbstgenutztes Wohneigentum eingeführt wird oder eine entsprechende Öffnungsklausel für die Länder geschaffen wird.
10.) Bereitstellung von Bauland
Es müssen alle Kräfte mobilisiert werden, Bauland für Wohnen, Gewerbe und Industrie bereitzustellen. Dies ist zuallererst eine Aufgabe der Planungsträger. Aber die öffentliche Hand hat auch als Grundstückseigentümerin Möglichkeiten, Bauland verfügbar zu machen. Bei der Vergabe von Flächen sollte der Preis nicht das einzige Kriterium sein. Auch Aspekte der Wirtschaftsförderung und der Nachhaltigkeit sollten Berücksichtigung finden, um die Versiegelung unbebauter Flächen gering zu halten.
11.) Verzicht auf widersprüchliches Mikromanagement
Große Verunsicherung bei Eigentümern wird dadurch ausgelöst, dass marktkonforme Steuerungsinstrumente wie die CO2-Bepreisung an vielen Stellen durch ordnungsrechtliches Mikromanagement konterkariert wird, wie es für das Gebäudeenergiegesetz mit seinen detaillierten technischen Vorgaben charakteristisch ist. Kleinteilige Regulierung sollte auch im Bausektor möglichst durch marktkonforme und technologieoffene Steuerungsinstrumente ersetzt werden.
12.) Abbau von kostentreibenden Standards
Abbau und Vereinfachung von Standards im Baurecht sind ein wesentliches Instrument, um Baukosten zu senken, ohne öffentliche Haushalte zu belasten. Dabei sollten auch systematisch Erfahrungen anderer Staaten, wie den Niederlanden, berücksichtigt werden. Bei Änderung von Standards sind stets Folgenabschätzungen für Kosten des Bauens und Wohnens durchzuführen. Normen, auf die im Baurecht Bezug genommen wird, müssen nutzerfreundlich kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Insbesondere das Baunebenrecht ist konsequent zu entschlacken, um die am Bau Beteiligten von kostentreibenden Pflichten zu entlasten.
13.) Verlässliche und anwenderfreundliche Förderpolitik
Förderprogramme sind ein wichtiger Baustein, um Investitionen in Neubau und Sanierungsmaßnahmen anzureizen. Diese müssen aber verlässlich aufgestellt und ausreichend finanziert sein, um Planungssicherheit zu ermöglichen. Wichtig ist auch eine anwenderfreundliche Ausgestaltung. Kurzfristige Förderstopps und abrupte Wechsel der Förderbedingungen führen zu Verunsicherung und Investitionszurückhaltung. Sie sind daher unbedingt zu vermeiden.