#hum12 - Folge 42: Prof. Dr. Frank Decker

Was tut sich gerade in Berlin? Deutschland nach der Bundestagswahl
Zwei Wochen nach der Bundestagswahl sind die Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD in vollem Gange. Erste Ergebnisse wurden bereits verkündet: Für Verteidigung und Infrastruktur wollen die Koalitionspartner in spe Milliardenkredite auf den Weg bringen – mit dem Bundestag in seiner alten Zusammensetzung. Grund genug für HANDWERK.NRW, tief in die politische Analyse einzusteigen. Dazu stand Präsident Andreas Ehlert und den rund achtzig Teilnehmern niemand Geringeres Rede und Antwort als Prof. Dr. Frank Decker vom Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn.
Die Bundestagswahl habe gezeigt, dass sich die Demokratie „in einer tiefgreifenden Vertrauenskrise“ befinde, so Prof. Decker. Von komfortablen Zweidrittelmehrheiten einer Großen Koalition, wie es sie unter einer Kanzlerin Merkel noch gegeben habe, sei man heute weit entfernt. Stattdessen verliere die repräsentative Demokratie an Zustimmung, die Mehrheit der Bevölkerung blicke pessimistisch in die Zukunft. Unter diesen Bedingungen hätten die politischen Ränder an Einfluss gewonnen – vor allem unter Jungwählern.
Wie blickt der Politikwissenschaftler auf die heiße Phase der Sondierungen? „Die Beteiligten sollten sich der Tragweite ihrer Entscheidungen bewusst sein“, mahnte Prof. Decker an. Für einen detailliert ausgearbeiteten Koalitionsvertrag von 200 Seiten seien die Herausforderungen zu drängend. „Von größter Wichtigkeit ist, dass wir aus der Stagnation herauskommen und das Wohlstandsversprechen wieder eingehalten werden kann.“ Mit der Einigung auf ein Sondervermögen und die Lockerung der Schuldenbremse sei die Kardinalfrage der Finanzierung bereits geklärt. Für Konfliktstoff könnten hingegen Sparpotenziale im Haushalt, angebotsorientierte Strukturreformen und in geringerem Maße auch die migrationspolitischen Vorstellungen von Union und SPD sorgen.
Trotz des großen Erfolgsdrucks, der auf Schwarz-Rot lastet, wagte Prof. Decker zum Schluss eine zuversichtliche Prognose: „Die Gefahr von Neuwahlen im Herbst sehe ich nicht. Schließlich kann niemand ein Interesse an einer weiteren Stärkung der politischen Ränder haben.“