Wachstumsrückstand in NRW
Handwerk mahnt Leitfunktion für das Wirtschaftsministerium an
Bürokratieabbau im Fokus der politischen Agenda des Wirtschaftsbereichs im Doppel-Wahljahr 2017
Das NRW-Handwerk mahnt eine veränderte Prioritätensetzung der Landesregierung an. "Das Land leidet unter Wachstumsrückstand. Die strukturellen Defizite können nur überwunden werden, wenn der Stellenwert und die Kompetenzen der Wirtschaftspolitik deutlich gestärkt werden", forderte Präsident Andreas Ehlert am Mittwoch in Düsseldorf im Rahmen der Jahresauftakt-Pressekonferenz des Verbands HANDWERK.NRW (vormals Nordrhein-Westfälischer Handwerkstag).
Nordrhein-Westfalen hinke seit vielen Jahren in der wirtschaftlichen Entwicklung mal mehr, mal weniger, aber eben beständig hinter anderen Bundesländern her. "Im Schnitt der vergangenen 15 Jahre war das reale Wirtschaftswachstum nur in vier Bundesländern niedriger als in NRW. Nur ein einziges Mal im Zeitraum seit 2010 lag das Wirtschaftswachstum in NRW über dem Bundesdurchschnitt", so Ehlert.
Diese Wachstumsschwäche bliebe für den Wohlstand des Landes nicht ohne Folgen. "In Nordrhein-Westfalen liegt der Schuldenstand je Einwohner mit fast 14.000 Euro knapp 5.000 Euro über dem Durchschnitt der Länder. Bis auf zwei Ausnahmen befinden sich die 70 Gemeinden mit den höchsten Gewerbesteuersätzen Deutschlands in Nordrhein-Westfalen. Und der Grunderwerbsteuersatz ist mit 6,5 in keinem Bundesland höher als in NRW", so Ehlerts Fazit.
Und genau darum gehöre die Wirtschaftspolitik ins Zentrum der politischen Agenda. NRW sei immer noch das wirtschaftliche Kernland Deutschlands; seine Schwäche wirke sich bundesweit negativ aus. Als Beispiel nannte der Verbandspräsident "die epische Diskussion um den Landesentwicklungsplan. Dort haben sich alle Wirtschaftspolitiker, egal ob aus den Gewerkschaften, aus den Arbeitgeberorganisationen, aus den Kammern oder den Kommunen bemüht, Schlimmeres zu verhindern. Dennoch war die Wirtschaft durchgängig in einer defensiven Situation. Gelegentlich empfindet man es so, als wenn die wirtschaftliche Entwicklung ein Störfaktor in der Entwicklung unseres Landes ist."
Scharfe Kritik übte Ehlert am geplanten "Kontrollergebnis-Transparenz-Gesetz", besser bekannt als "Hygiene-Ampel". Die Gesetzesinitiative sei schlicht "überflüssig". Den zuständigen Überwachungsbehörden stehe auch ohne eine zusätzliche Vorschrift ein umfangreiches Instrumentarium - von Verwarnungen über Geldbußen bis hin zu Betriebsschließungen - zur Verfügung.
Andere, ebenfalls unnötige Belastungen erwüchsen dem Bauhandwerk: durch die inzwischen wieder ausgesetzte Styropor-Verordnung des Bundesrats. Deren Auswirkungen seien "alles andere als überwunden", informierte Ehlert. Auf Basis einer noch unveröffentlichten Blitzumfrage des Dachdeckerverbands NW lagerten derzeit landesweit rund 1.600 Tonnen nicht entsorgbare Dämm-Polystyrol-Reste auf Baustellen oder Firmengeländen, weil Entsorger und Betreiber von Müllverbrennungsanlagen weiterhin die Annahme zu den früheren Konditionen verweigerten. Handwerkspräsident Ehlert: "Das sind allein vom Gewicht her zwei volle Güterzüge mit je 20 Waggons."
Als in maßgeblichen Teilen misslungen bezeichnete Ehlert im Übrigen den Entwurf für eine Novelle des Tariftreue- und Vergabegesetzes. "Die bisher vorgesehene Selbsterklärung der an öffentlichen Ausschreibungen mitbietenden Unternehmen zur Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen soll in der zugehörigen Rechtsverordnung gegen den Wunsch von Kommunen und Wirtschaft nun abgeschafft werden und durch ein System von Zertifikaten ersetzt werden." Diese müssten erst noch entwickelt werden, wären in der Handhabung durch die Betriebe teuer und aufwändig und - nach den bisherigen Erfahrungen mit den vergabefremden Anforderungsmerkmalen des Gesetzes - in der Auswirkung "vermutlich nutzlos."