Statement

Pressekonferenz zum Jahresauftakt

Statement von Präsident Ehlert zur virtuellen Pressekonferenz zum Jahresauftakt

I. Rückblick auf 2020

Der Rückblick auf das Jahr 2020 ist für das Handwerk von zwei großen Entwicklungen geprägt: zum einen natürlich die Corona-Pandemie mit all ihren Auswirkungen, zum anderen von der Wiedereinführung von Qualifikationserfordernissen beim Gewerbezugang (Meisterpflicht) in 12 bislang zulassungsfreien Gewerken. 

Die Wiedereinführung von Qualifikationsvoraussetzungen hat erwartungsgemäß dazu geführt, dass die Zahl der Neueintragungen in diesen Gewerken drastisch zurückgegangen ist. Da die bisherigen Betriebe Bestandsschutz haben, ist auch die Zahl der Löschungen deutlich zurückgegangen. Die größte Dynamik liegt also in den weiterhin zulassungsfreien Gewerken wie Gebäudereiniger, Fotograf oder Kosmetiker. Das ist ein wesentlicher Faktor dafür, dass die Zahl der Betriebe des nordrhein-westfälischen Handwerks im Jahr 2020 nur moderat (auf 194.074) angestiegen ist. 

Aber natürlich war und ist die Corona-Pandemie der alles beherrschende Faktor seit dem vergangenen Frühjahr. Insgesamt ist das NRW-Handwerk in der Substanz seiner Branchen, Betriebe und Beschäftigten bislang verhältnismäßig gut durch die Krise gekommen. 

Kurz gesagt: 80% der Betriebe geht es sehr ordentlich, darunter insbesondere der Bauwirtschaft, aber das übrige Fünftel leidet derzeit massiv – so das umsatzstarke Kraftfahrzeuggewerbe und die kleinbetrieblich geprägten Dienstleistungsbranchen wie die Friseure und Kosmetiker, die Maßschneider und Fotografen, die Lebensmittelhandwerke, die im Messebau engagierten Tischlereien und zeitweise auch für die Gesundheitsberufe. 

Dennoch, auf das gesamte Handwerk gesehen, sind die Konjunktur- und Strukturzahlen stabil. Ursächlich dafür waren: 

  1. die anhaltende Dynamik im Bau- und Ausbausektor, dem vier von zehn Unternehmen und die Hälfte der Beschäftigten des Wirtschaftsbereichs zugehören,
  2. die Stabilisierung der Beschäftigung durch das Instrument der Kurzarbeit
  3. die verschiedenen Kriseninstrumente, die jedenfalls bisher viel zur Stabilisierung der Betriebe geleistet haben, und …
  4. beschleunigte Innovationsprozesse: Vier von zehn Handwerksunternehmen haben aufgrund der Kontakt- und Geschäftsbegrenzungen Anpassungen in ihrem Leistungsportfolio vorgenommen und sich aktiv entweder neue Geschäftsfelder und Absatzmöglichkeiten erschlossen, Betriebsabläufe digitalisiert oder ihre Online-Aktivitäten in Vertrieb und Kundenkommunikation ausgebaut (Sonderumfrage d. HWK Düsseldorf). 

Vor allem diese vier Faktoren sind beteiligt, dass unser Resümee zur Lage des NRW-Handwerks an der Jahreswende 2020/2021 relativ moderate Rückgänge ausweist, und zwar sowohl

  1. beim Umsatz: So gehen wir nach Datenlage des Statistischen Landesamts IT NRW von einem Minus um 4 Prozent gegenüber dem Vorjahr aus. (auf Basis von drei von vier berechneten Quartalen des letzten Jahres.  Jahresumsatz im NRW-Handwerk in Höhe von 130 Mrd. Euro)
  2. der Beschäftigung: Wir rechnen mit einem Beschäftigungsrückgang von etwa 3 Prozent (auf etwa 1,15 Mio.)  
  3. der Ausbildung: Besser als befürchtet fiel am Ende die vorläufige Ausbildungsbilanz für das NRW-Handwerk aus. Der Rückgang ließ sich auf etwa 8 Prozent gegenüber dem Vorjahr eindämmen. 

(Noch im Sommer sah es nach einem zweistelligen Minus bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverhältnissen gegenüber dem Vorjahr aus.  Dank intensivster Bemühungen der Kammern, Fachverbände und Kreishandwerkerschaften konnte das Minus reduziert werden.) 

Damit sind wir im Vergleich zu anderen Sektoren glimpflich davongekommen. Hier ist unsere klare Botschaft: „Die duale Ausbildung ist attraktiver denn je, das Handwerk kann jungen Menschen hervorragende Perspektiven bieten.“

II. Aktuelle Lage

Der zweite Lockdown trifft aber auch das Handwerk empfindlich, deshalb lässt sich nicht wirklich seriös prognostizieren, ob der eigentlich erwartete Prozess der Erholung gelingen kann. Vor allem in den konsumnahen Handwerken und in Kleinbetrieben sowie unter Soloselbstständigen und Gründern sind die Liquiditätsreserven jetzt weitgehend aufgebraucht. Hier stößt die Logik der Krisenhilfen einfach an Grenzen. Für viele Betriebe ist die Lage inzwischen prekär, und entsprechend verändert sich auch die Stimmung im Handwerk. 

Die viel zu hohen Infektionszahlen und Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 rechtfertigen einschneidende Schutzmaßnahmen, selbstverständlich. Dennoch brauchen wir jetzt eine konsequente, langfristig angelegte und berechenbare Eindämmungspolitik. 

Es braucht gut begründete Regeln, die auch befolgt werden. Das Handwerk, die Beschäftigten und die Bevölkerung erwarten außerdem ein zügiges Hochfahren der Impfkampagne und ein hochfrequentes Impfgeschehen. Impfen ist jetzt die beste Wirtschaftspolitik. 

Alle Betriebe, die jetzt von Schließungen betroffen sind oder deren Geschäftsfelder weggebrochen sind, brauchen eine klare Perspektive, wie es weiter geht. Ein Pendeln zwischen Lockdowns und Lockerungen wäre jedenfalls Gift für die wirtschaftlichen Perspektiven der Betriebe. 

Mittelständische Unternehmen kommen ohne ein Minimum an Planungshorizont nicht aus, um auskömmlich wirtschaften und investieren zu können.

Sie müssen am Ende das persönliche unternehmerische Existenzrisiko verantworten können. 

Davon, dass Unternehmen, Verwaltungen und Schulen baldmöglichst wieder regulär operieren, hängen Hunderttausende Arbeitsplätze ab. Staatshilfe kann das im Übrigen nicht auf Dauer kompensieren.

III. Konjunkturelle und strukturelle Maßnahmen zur Milderung der Pandemiefolgen

Das Handwerk hat die Betriebsinhaber in den letzten Wochen danach befragt, was sie benötigen, um die Folgen der Pandemie fürs Erste zu überbrücken zu können. 

Danach steht ganz oben auf der Liste der Unternehmen, dass 

  • Überbrückungshilfen schneller bewilligt und ausbezahlt werden müssen. Die zugehörigen Antragsverfahren müssen deutlich entschlackt und entbürokratisiert werden. Der geringe Mittelabfluss bei den Hilfen zeigt, dass die Förderinstrumente viel zu komplex angelegt sind.
  • Außerdem stoßen Betriebe, die wie die Friseure erst im Dezember vom Lockdown betroffen wurden, aktuell auf eine echte Förderlücke.
  • Es besteht die Gefahr, dass die Betriebe in eine Liquiditätsfalle geraten, weil sie sich auf staatliche Überbrückungshilfen verlassen, ohne dass deren Bewilligung sichergestellt ist.
  • Als vordringlich erachten unsere Betriebe außerdem steuerliche Erleichterungen. Diese haben den Vorzug, dass sie für alle Betriebe funktionieren und kurzfristig liquiditätssichernd wirken. Mit Blick auf kurzfristig wirksame Effekte sollte diese Entlastung bei den Verlustrückträgen, der Thesaurierungsrücklage und /oder bei Sonderabschreibungsmöglichkeiten ansetzen.
  • Wir dürfen jetzt keine Debatte über neue Belastungen führen, sondern müssen die Strukturprobleme der Unternehmensbesteuerung im Mittelstand angehen. 

Dies hat der Vorstand von Handwerk.NRW in seiner gestrigen Sitzung auch so gesehen und einstimmig ein Positionspapier verabschiedet, das der Landesregierung zugeht. 

Wir haben darin auch konkrete Vorschläge für eine berechenbarere Perspektive für die Betriebe gemacht.

  • Dazu gehört, den betroffenen Branchen aufzuzeigen, unter welchen Bedingungen eine Wiederöffnung des Geschäftsbetriebs möglich wird. Überall im Handwerk gibt es nach den Erfahrungen der vergangenen Monate längst überzeugende Hygienekonzepte der Berufsgenossenschaften, die von den Betrieben schon jetzt oftmals übererfüllt werden.
  • Außerdem könnten sich die im medizinischen Sektor bewährten FFP2-Masken auch im Handwerk bei Verkaufsgesprächen oder im Kundenkontakt einsetzen lassen.

Für die Branchen, die noch arbeiten könnten, sind aktuell die Kita- und Schulschließungen ein massives Problem. Gerade kleine Betriebe können schnell lahmgelegt werden, wenn es wegen fehlender Betreuungsmöglichkeiten zu Personalausfällen kommt. Hier ist mehr Kreativität gefragt, um die Betreuung und einen sicheren Schulbetrieb rasch wieder breiter zu gewährleisten. 

Die vergangenen Monate haben außerdem gezeigt, wie problemverschärfend sich ein rückständiges E-Government in Gesundheits- und anderen Verwaltungsbehörden auswirken kann. Die Gesundheitsämter waren nicht digitalisiert und die Schulen litten unter der fehlenden Digitalisierung.

Auch in den Ämtern hat die mangelnde Datenautomatisierung krankheitsbedingte Personalengpässe verschärft. Das führt zu Verzögerungen bei der Bearbeitung von Genehmigungen.

Für das Handwerk ist dabei ganz besonders problematisch, dass die meisten Kfz-Zulassungsstellen und Bauämter weiterhin nur eingeschränkt arbeitsfähig sind. 

IV. Weitere landespolitische Agenda

Die Landesregierung hat in den vergangenen Monaten ein offenes Ohr für die Anliegen des Handwerks und der Berufsbildung gehabt – mit vielen pragmatischen Lösungen. Dafür danke ich an dieser Stelle ausdrücklich. 

So sehr die Corona-Politik uns derzeit in Atem hält, müssen wir auch die langen Linien im Blick behalten. Nordrhein-Westfalen muss die Ansätze zur Stärkung mittelständischer, dezentraler Strukturen entschlossen weiterführen. Einige Punkte gehören daher aus Sicht des Handwerks noch auf die Agenda in dieser Wahlperiode des Landtags: 

  • Das Handwerk erwartet, dass das qualifizierte Bauhandwerk berechtigt wird, eine Bauvorlage einzureichen. Die sogenannte Kleine Bauvorlageberechtigung würde es Auftraggebern von Ein- und Zweifamilienhäusern erlauben, ihr Leistungsbegehren auch durch qualifizierte Meisterbetriebe im Handwerk umgesetzt zu bekommen. Das haben bundesweit bereits neun Bundesländer in ihren jeweiligen Landesbauordnungen verankert.
  • Dann kann auch das Land zwei wirksame Steuererleichterungen selbst durchsetzen.
    - Zum einen kann es die im Ländervergleich sehr hohe Grunderwerbsteuer absenken.
    - Zum anderen kann es für eine schlanke und einfache Landes-Lösung für die Grundsteuer sorgen. Die Landesregierung hat entsprechendes politisches Handeln im Koalitionsvertrag zugesagt!
  • Nicht zuletzt sollte die Entfesselungspolitik konsequent fortgesetzt werden. Hier ist schon einiges passiert, aber sich hier im Land jetzt konsequent einmal mit Erlassen, Verordnungen und Verwaltungsrichtlinien zu beschäftigen, wäre für den handwerklichen Mittelstand wertvoll.
  • Hier setzen wir auch auf eine Stärkung der Clearingstelle Mittelstand. Sie sollte ein Initiativrecht erhalten, damit künftig unmittelbar aus der wirtschaftlichen Praxis heraus Vorschläge zur Bürokratievermeidung und zum Bürokratieabbau vorgelegt werden können. 

Eine entsprechende Novellierung des Mittelstandsförderungsgesetz ist von der Koalition zugesagt worden. Sie sollte dann auch in diesem Jahr kommen. 

Meine Damen und Herren, bei allen Herausforderungen zieht das Handwerk in diesen Monaten auch Selbstbewusstsein und Stolz aus seiner Leistung als systemtragender, innovativer und hoch anpassungsfähiger Wirtschaftssektor in der Corona-Pandemie. Mittelständisches Unternehmertum und berufliche Bildung sind heute wichtiger und wertvoller denn je. - (Ich danke Ihnen)