NRW-Handwerk mahnt strategische Hinwendung zur Stärkung der mittelständischen Wirtschaft an
Ehlert: "Nordrhein-Westfalen löst sich von einer Politik des reinen Strukturerhalts"
Das nordrhein-westfälische Handwerk mahnt eine umfassende Strategie des Landes zur Stärkung seiner mittelständischen Wirtschaft an. "Das gewohnte Denken in großen Einheiten bindet das Land an Strukturen der Vergangenheit. Stattdessen muss die Mittelstandspolitik zu einer gemeinsamen Querschnittsaufgabe für alle Ressorts der Landesregierung werden," forderte der Präsident des Dachverbands Handwerk.NRW Andreas Ehlert am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Düsseldorf.
Ehlert nannte eine konsequente Fortsetzung des Abbaus administrativer Hemmnisse und der Stärkung der dualen, beruflichen Bildung sowie die Entwicklung einer "Kultur unternehmerischer Selbstständigkeit auch in den alten Industrielandschaften" als Eckpfeiler einer "Politik der Stärkung der dezentralen Einheiten". Der Handwerkspräsident würdigte gleichzeitig die bisherige Arbeit der Landesregierung; sie treffe "richtige" Entscheidungen, auf den Gebieten des Abbaus administrativer Hemmnisse und zugunsten der Beruflichen Bildung, aber auch den grundsätzlichen ordnungspolitischen Kurs betreffend: "Für uns im Handwerk hat es große Bedeutung, dass sich Nordrhein-Westfalen von einer auf Strukturerhalt angelegten Kohlepolitik, von einer dirigistischen Industriepolitik und von einem Hang zur Staatswirtschaft löst." Nun müsse der Weg des Bürokratieabbaus, der Entfaltung einer offenen Innovationskultur und der Qualitätssteigerung in der allgemeinen und beruflichen Bildung "entschlossen weitergegangen werden", so der NRW-Handwerkspräsident. Insbesondere im Ruhrgebiet, dem "bundesweiten Brennpunkt der Langzeitarbeitslosigkeit", müsse endlich der "Kern der Probleme" angegangen werden: "Die Standortbedingungen für private Unternehmen, und die Standortbedingungen für Bildung und Qualifizierung aller Art. Das Jahr 2019 wird entscheidend dafür sein, ob in NRW auch bei strukturellen Themen ein Paradigmenwechsel möglich ist. Es ist jetzt die Zeit, um auch die dicken Bretter zu bohren und die Grundlage für nachhaltige Schubumkehr in Richtung Innovation und Produktivität zu legen", betonte Ehlert.
An der Bildungspolitik gefällt dem Handwerk, dass das Land mit Nachdruck an der Verbesserung der Ausbildungsreife arbeite und substanziell mehr in die Sanierung und Modernisierung der Bildungsstätten des Handwerks und damit in die Qualität der beruflichen Bildung investiere. Ehlert: "Endlich wird auch das Thema Unterrichtsausfall und die Fachlehrerversorgung an den Berufskollegs konzeptionell angegangen."
Als vorrangige Aufgabe der Mittelstandspolitik nannte Ehlert die Entbürokratisierung der Gewerbeförderung. "Insbesondere die Meistergründungsprämie ist derzeit abschreckend kompliziert." Antrags- und Dokumentationspflichten sollten nach Möglichkeit reduziert werden; so müssten seit 2017 selbst Kleinbetriebe bei Inanspruchnahme von Beratungsleistungen durch ihre Kammer komplizierte Beihilfe-Anträge nach der europäischen sogenannten de minimis-Regelung stellen. "In solchen wie auch in anderen Fällen könnten durch Umstellung von EU-Mitteln auf Landesmittel Verfahren deutlich vereinfacht werden." Viel Potential gebe es aus Sicht des Handwerks auch bei Themen, die nicht nur einzelne Antragsteller betreffen, sondern die Betriebe in ganzen Branchenbereichen angehen. Vor allem die Lebensmittelhandwerke ächzten unter Auflagen, die - so Ehlert - "klare Wettbewerbsnachteile zu industriellen Herstellern" bedeuten. Im Fleischerhandwerk etwa müssten Produktionsbetriebe mit Eigenschlachtung bei der Fleischbeschau ein Mehrfaches an Gebühr bezahlen, was der Fleisch- und Schlachtindustrie abverlangt werde. "Das Handwerk setzt bei der anstehenden Novelle des Mittelstandsförderungsgesetzes vor allem auf ein effektiveres Clearingverfahren zur Mittelstandsverträglichkeitsprüfung. Besonders wichtig wäre, künftig auch bestehende Normen auf ihre Mittelstandsverträglichkeit zu prüfen und aus dem Kreis der beteiligten Wirtschaft Verbesserungen vorschlagen zu können."
In diesem Zusammenhang sprach Ehlert sich noch einmal ausdrücklich dafür aus, Handwerksmeistern auch in NRW bei einfacheren Gebäudeklassen die Kleine Bauvorlageberechtigung zu erteilen. Ehlert mahnte im Übrigen eine Rückführung der Grunderwerbsteuer und eine moderate und unbürokratische Neufassung der Grundsteuer an, auf die das Land im Bundesrat Einfluss nehmen "kann und soll: Der aktuelle Entwurf des Bundesfinanzministeriums erfüllt diese Anforderungen nicht," so Ehlert, der im Übrigen auch harsche Kritik am ausgabenpolitischen Kurs der Bundesregierung übte: Der Sozialstaat werde immer kostspieliger; die neuen Leistungsansprüche seien "nicht nachhaltig gegenfinanziert." Es gebe anders als in anderen Ländern keine wirksame Steuerentlastung für Unternehmen und für die Mitte der Gesellschaft, die einen Großteil der Staatstätigkeit mit ihren Steuern finanzieren müssten, aber von sozialpolitischen Wohltaten nicht profitierten.
Gar als "Staatsversagen" klassifizierte Ehlert die Luftreinhaltepolitik der Bundesregierung. Sie habe beim "Diesel-Gate" Abgasmanipulationen der Autoindustrie zugelassen und durch Subventionen und Innovationslenkung die Akteure sogar in eine andere Richtung getrieben. Es habe zudem viel zu lange gedauert, bis die Voraussetzungen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen geregelt waren - mit überdies enttäuschendem Ergebnis bei den Konditionen aus Sicht der Fahrzeugeigentümer. So drohten nun in mehreren Städten Fahrverbote und massive Eingriffe in die Mobilität - "genau das Gegenteil von dem, was die Wirtschaft und viele Pendler nötig haben." Die Erwartung des Handwerks sei "klar: Es darf keine Fahrverbote geben." Und wenn diese sich doch nicht verhindern ließen, erwarte das Handwerk großzügige, unbürokratische Ausnahme-Regelungen. "Aber vor allem müssen die unsinnigen Grenzwerte vom Tisch und stattdessen tragfähige Förderstrategien für die Entwicklung neuer Antriebstechnologien und Verkehrskonzepte her! Es darf nicht länger sein, dass der Verbraucher die Zeche für politische Fehlentscheidungen der Politik und der Automobilhersteller zahlt. Vor allem mittelständische Unternehmen brauchen verlässliche Rahmenbedingungen für die Modernisierung ihrer Fuhrparke!", redete Ehlert Klartext.