Neuer Vorstoß aus Brüssel zur Berufsreglementierung ignoriert nationale Zuständigkeiten – Handwerk erreicht Subsidiaritäts-Rügen durch Bundestag und Bundesrat –
Neuer Vorstoß aus Brüssel zur Berufsreglementierung ignoriert nationale Zuständigkeiten – Handwerk erreicht Subsidiaritäts-Rügen durch Bundestag und Bundesrat –
Präsident Ehlert: Wann ist endlich Schluss mit dem Zentralisierungs-Furor der EU?
Wieviel europäische Regulation braucht, wieviel verträgt die EU? Das richtige Maß an Harmonisierung zu finden, dürfte spätestens seit dem „Brexit“ zur Existenzfrage für den Staatenverbund geworden sein. Während Finanzmarktkrise, Staatsschulden-Kollektivierung durch EZB-Politik und der Umgang mit dem Flüchtlingszustrom Interessengegensätze zwischen den Mitgliedsstaaten in den letzten Jahren vertieft haben, hält die EU das Tempo ihrer Rechtsakte- Produktion ungebrochen hoch. Von Reflexion des wachsenden Bürger-Widerwillens gegen den Zentralisierungsfuror der „Supergemeinschaft“, gar von Zurückhaltung, keine Spur. Die jüngste Gesetzgebungsinitiative aus Brüssel, das „Binnenmarktpaket 2017“, enthält einen
„Richtlinienentwurf zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit von Berufsreglementierungen“. Die geplante Norm stößt erneut tief in die originäre Rechtssphäre der Mitgliedsstaaten vor und überschreitet den Kompetenzrahmen der EU bei Weitem.
Danach soll jeder Änderung einer nationalen Ausbildungs- oder Prüfungsordnung eine umfassende Untersuchung der Erforderlichkeit vorgeschaltet werden; die Anforderungen an alternative Lösungs- und Begründungs-Szenarien sind schier uferlos; die Kriterien alles andere als eindeutig formuliert; Regierungen sollen bereits ihre Novellierungsabsicht der EU vorab zur Einsicht vorlegen. „Faktisch wird dem nationalen Gesetzgeber dadurch jedweder Spielraum in der Gestaltung seiner
Berufspolitik und Qualifizierungskultur genommen“, weist der Präsident der nordrhein-westfälischen Handwerksorganisation Handwerk.NRW, Andreas Ehlert, auf die Tragweite des geplanten Eingriffs hin. Das Zeitfenster für politischen Widerspruch ist klein, Beobachter gehen davon aus, dass die
EU-Kommission eine politische Einigung noch vor der ersten Lesung im Europaparlament anstrebt.
Andreas Ehlert: „Das Handwerk steht uneingeschränkt zu Europa. Es ist unerlässlich, die wirtschaftliche Entwicklung der einzelnen Volkswirtschaften und deren jeweilige Stärken gemeinsam weiter voranzubringen. Im Bereich der Bildungspolitik besteht auf Gemeinschaftsebene jedoch ein Harmonisierungsverbot. Der Europäische Gerichtshof hat längst bestätigt, dass jedes Land bestimmen kann, für welche Berufe es eine Ausbildung und Qualifikationsnachweise vorsieht. Der aktuelle Angriff gegen die nationale Kompetenz bei der Berufsreglementierung schränkt damit klar die Souveränität der Mitgliedsstaaten ein,“ empört sich Ehlert - und hat sich in enger Abstimmung mit ZDH-Präsident Hans-Peter Wollseifer und weiteren Mitstreitern aus Handwerk und Politik bei den Regierungsparteien CDU/ CSU und SPD (in der Union namentlich beim MIT- Vorsitzenden Carsten Linnemann, in der SPD bei Landeswirtschaftsminister Garrelt Duin) in den letzten Wochen für eine notwendige, schnelle politische Abwehrreaktion des Parlaments eingesetzt
– mit greifbarem Erfolg: Bereits am vergangenen Donnerstag verabschiedete der Bundestag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen eine Subsidiaritätsrüge gegen die geplante Berufsreglementierungs-Richtlinie. Der Bundesrat schloss sich einen Tag später an und sprach seinerseits die Subsidiaritätsrüge aus. Auch Paris und Wien signalisierten bereits Unterstützung in der Sache.
Damit die EU den Entscheidungsprozess stoppt, sind allerdings die Voten eines Drittels der Mitgliedsstaaten erforderlich. Und das bis spätestens Montag, 20 März – die Landeshandwerksvertretung kritisiert nicht zuletzt die Eile und Intransparenz des Verfahrens. „Die politische Überzeugungsarbeit muss gerade deshalb unverzüglich bei anderen Mitgliedsländern weitergehen, etwa gegenüber den Benelux-Ländern, Italien, Polen und Slowenien“, appelliert Ehlert an die Bundesregierung. „Die Abgeordneten eigentlich aller EU-Staaten mit eigener Berufsreglementierung – und das sind auf die eine oder andere Art alle – müssten sich in ihrer Ehre gepackt sehen, dem blinden „Weiter so!“ aus Brüssel die Gefolgschaft zu verweigern und den Rechtspopulisten keine neue Nahrung zu liefern.