Mittelstandspolitik trotz Corona nicht aus dem Auge verlieren
Andreas Ehlert: „Ambitionierte Mittelstandspolitik trotz der Corona-Pandemie nicht aus dem Auge verlieren“
„Weit über das Handwerk hinaus wird in diesen Tagen deutlich, dass wir in der aktuellen Krise alles tun müssen, um die wertvollen mittelständischen Strukturen unserer Wirtschaftsordnung zu stabilisieren und stärken“, betonte der Präsident von HANDWERK.NRW, Andreas Ehlert, anlässlich seiner Jahrespressekonferenz. Je besser der Mittelstand jetzt durch die Krise kommt, desto größer seien die Chancen auf eine wirtschaftliche Erholung. Vor diesem Hintergrund mahnte Ehlert an, dass das Land den Rest der Wahlperiode dazu nutzen sollte, mittelstandspolitische Reformen auf den Weg zu bringen und in diesem Sinne auch seinen Einfluss im Bund zur Geltung zu bringen.
Die bisherige „Entfesselungspolitik“ des Landes bewertete Ehlert positiv und warb dafür, die Bemühungen um Bürokratieabbau und Verwaltungsmodernisierung entschlossen fortzusetzen. „Die Corona-Krise hat uns aber vor Augen geführt, dass wir in vielen Bereichen noch mehr Tempo brauchen – zum Beispiel bei Kfz-Zulassungen oder Baugenehmigungen. Durch Digitalisierung lässt sich da vieles vereinfachen und beschleunigen.“
Des Weiteren spricht sich das NRW-Handwerk dafür aus, ein einheitlicheres, kompakteres Verwaltungshandeln bei Erlassen und Verordnungen in NRW in den Blick zu nehmen. Das Übermaß an bundesgesetzlicher Regelungsdichte sei vom Land im Rahmen einer Bundesratsinitiative bereits angegangen; nun müsse eine „strukturierte Betrachtung und Bewertung von Erlassen, Verordnungen und Verwaltungsrichtlinien“ erfolgen.
Ehlert mahnte auch eine Novellierung des Mittelstandsförderungsgesetzes an, wie sie von den Koalitionsfraktionen im Koalitionsvertrag 2017 angekündigt worden war: „Um dem Bürokratieabbau mehr Drive zu geben, wäre ein Initiativrecht der Clearingstelle Mittelstand wichtig. Dann könnten unmittelbar aus der wirtschaftlichen Praxis konkrete Vorschläge zur Entschlackung von Bürokratie formuliert werden.“
Ein konkretes Thema für das Handwerk ist die Einführung einer Kleinen Bauvorlageberechtigung für Handwerksmeister. „In vielen Bundesländern funktioniert das ganz hervorragend und trägt zur Minimierung von Baukosten und zur Beschleunigung von kleineren Bauprojekten bei. Es gibt keinen Grund, warum das ausgerechnet in Nordrhein-Westfalen nicht funktionieren sollte.“ Ehlert verwies darauf, dass in den einschlägigen Berufen die Erstellung von Bauvorlagen obligatorischer Lernstoff sei: „Unsere Meister müssen das können, dann sollten sie es auch dürfen.“ Nachdem schon in der vergangenen Novellierung der Landesbauordnung NRW die Umsetzung trotz aktiven Werbens der Landeshandwerksorganisationen und der Bauverbände NRW nicht aufgegriffen wurde, biete sich nun noch einmal die Möglichkeit für den Landesgesetzgeber, dies im laufenden Normierungsverfahren nachzuholen.
Auch die Steuerpolitik hat das Handwerk im Blick: „Mir macht gerade Sorge, dass wieder eine wilde Debatte darüber geführt wird, dass man die Gewinne und Vermögen des Mittelstandes stärker besteuern müsse. Das Gegenteil ist jetzt notwendig“, hob Ehlert hervor. Wenn wir die Wachstums- und Beschäftigungsimpulse des Mittelstandes als Antwort auf die Corona-Krise nutzen wollen, dann müssen wir den Mut zu einer durchgreifenden Reform der Einkommensteuer finden. Und der Solidarzuschlag gehört vollständig abgeschafft. Es wäre jetzt auch die Gelegenheit, die höchst wetteranfällige Gewerbesteuer als Sondersteuer auf den Mittelstand abzuschaffen und den Kommunen eine verlässlichere Einnahmemöglichkeit zu verschaffen“, so Ehlert. „Stabile Kommunalfinanzen sind im Übrigen die beste Vorkehrung dagegen, dass die Kommunen ihr Heil in der wirtschaftlichen Betätigung auf Märkten des Handwerks und anderer Privatunternehmen suchen.“
Auf Landesebene hat Ehlert insbesondere die Grunderwerbsteuer und die Grundsteuer im Blick. „Bei der Grunderwerbsteuer ist Nordrhein-Westfalen leider weiterhin Höchststeuerland. Das ist kein Ruhmesblatt“, so Ehlert. Bei der Grundsteuer verlangt das Handwerk eine bürokratiearme Lösung abweichend von dem Bundesmodell. In Ländern wie Bayern und Baden-Württemberg seien nun unter-schiedliche Lösungen zum Tragen gekommen, die man sich auch hierzulande genau ansehen sollte.
„In Nordrhein-Westfalen sind in den vergangenen Jahren ordentliche Fortschritte geleistet worden, um die Standortbedingungen für mittelständische Unternehmen zu verbessern – zum Beispiel beim Bürokratieabbau oder bei der Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur. Mir ist wichtig, dass das Land nicht die Hände in den Schoß legt, sondern am Ball bleibt und Mittelstandspolitik als Querschnittsaufgabe aller Ressorts vorantreibt. Der Glaube an die großen Einheiten hat dem Land über viele Jahrzehnte hinweg nicht gut getan,“ resümierte Ehlert.