Beschluss des Handwerksrats: Wärmepolitik aus Sicht des Handwerks

9.11.2023

Vertrauen durch Verlässlichkeit und Wahrhaftigkeit – Wärmepolitik aus Sicht des Handwerks

Durch das Gebäudeenergiegesetz und das Wärmplanungsgesetz des Bundes werden neue Rahmenbedingungen für die Wärmeversorgung geschaffen, an denen sich auch das Land Nordrhein-Westfalen und die Kommunen ausrichten müssen. Im Bausektor herrscht derzeit allerdings große Verunsicherung: Die Baupreise sind stark gestiegen, die Zahl der Baugenehmigungen geht massiv zurück, Investitionen in Neubau und Bestandssanierung werden stark zurückgefahren. Eigentümer und Bauwirtschaft sind damit konfrontiert, dass sich die rechtlichen Vorgaben zu Technologien und Förderinstrumenten für die Energie und Wärmeversorgung kurzfristig ändern und widersprüchliche Signale aussenden. So ist die Nachfrage nach Wärmepumpen stark rückläufig, wohingegen der Verkauf neuer Gasthermen massiv angestiegen ist. Unklar ist zudem, ob der Wechsel auf klimaschonendere Energie- und Wärmequellen wirklich im angestrebten Zeitraum erreichbar ist und ob der Infrastrukturausbau mit den ambitionierten Zielsetzungen Schritt halten kann. Aus Sicht des Handwerks kommt es daher jetzt auf folgende Punkte an:

Aus Sicht des Handwerks kommt es daher jetzt auf folgende Punkte an:

1.) Wärmepolitik muss verlässlich und widerspruchsfrei sein!
Investitionen in die Wärmetechnik und in die Gebäudesanierung sind aufgrund der Höhe der Kosten für viele Immobilieneigentümer sehr belastend und amortisieren sich oft erst auf lange Sicht. Investitionen in klimaschonende Technologien setzen verlässliche und konsistente Rahmenbedingungen durch den Gesetzgeber voraus. Regulierungsvorgaben und Förderinstrumente müssen Planungssicherheit geben und widerspruchsfrei zueinander sein. Nur dann kann das Handwerk seine Kunden zielgerichtet beraten und technisch und wirtschaftlich überzeugende Lösungen anbieten. 

2.) Klimaneutralität ist am besten durch Technologieoffenheit zu erreichen!
Das Ziel der Klimaneutralität eint Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Wie allerdings dieses Ziel bis 2045 erreicht werden kann, ist derzeit allenfalls in Grundzügen erkennbar. Der Gesetzgeber muss deshalb den Möglichkeitsraum für klimaschonende Innovationen offenhalten. Der Grundsatz der Technologieoffenheit muss für Regulierung und Förderung maßgeblich sein – am besten durch Konzentration auf eine sektorübergreifende CO2- Bepreisung, die Anreize setzt, möglichst effektive und effiziente Lösungen zur Vermeidung von Energiekosten zu finden. Die Wärmeplanung muss ein lernendes System und offen für Veränderungen sein!

3.) Wir müssen die Potentiale für mehr Energieeffizienz durch die Sanierung von Gebäuden und von Leitungsinfrastrukturen nutzen!
Bei der Wärmeversorgung kommt es nicht nur auf den Energieträger und die Erzeugungstechnik an. In vielen Fällen lassen sich durch Investitionen in die Dämmung der Gebäudehülle und die Energieeffizienz vorhandener technischer Gebäudeausrüstungen schnellere und wirkungsvollere Erfolge auf dem Weg zu Klimaneutralität und Energieeffizienz erreichen als durch einen Wechsel der Energiequelle. Auch mit niedrigschwelligen Maßnahmen wie Gerätewartung oder Verhaltensänderungen im Verbrauch lassen sich bereits spürbare Einspareffekte erzielen. Für einen energieeffizienten Einsatz von Wärmepumpen muss in vielen Fällen zuerst das Gebäude ertüchtigt werden.

4.) Anschluss- und Benutzungszwänge für Fernwärme sind zu vermeiden!
Fernwärme wird im offenen Wettbewerb mit anderen Lösungen wichtiger Teil der Wärmewende sein. Um die Verbraucher zu schützen, müssen Fernwärmemonopole aber einer wirksamen Preiskontrolle durch Bundesnetzagentur und Landesregulierungsbehörden unterliegen. Anschluss- und Benutzungszwänge sind zu vermeiden, da sie die Verbraucher entmachten, Innovationen verhindern und erst recht zu überhöhten Monopolpreisen führen können.

5.) Das Handwerk muss systematisch in die Wärmeplanung eingebunden werden!
Das Handwerk ist mit seinen Kompetenzen und Kapazitäten ein unverzichtbarer Akteur der Wärmewende. Es muss daher mit seinen Kammern und Innungen als Körperschaften öffentlichen Rechts früh, eng und systematisch in die Wärmeplanung einbezogen werden. Dies muss bundes- und landesrechtlich abgesichert werden. Auch die an die Kommunen adressierten Leitbilder und Handlungsempfehlungen der Landesagentur energy4climate sollten dies systematisch berücksichtigen.

6.) Für jede Wärmelösung muss eine methodisch saubere Energiebilanz auf den Tisch!
Die Potentiale verschiedener Versorgungslösungen lassen sich nur sinnvoll vergleichen, wenn ihre Energieeffizienz konsequent und methodisch sauber erfasst wird. Das gilt insbesondere für die Fernwärme, deren Klimafreundlichkeit von der Wahl der Energiequelle, der Effizienz der Wärmerzeugung und von den leitungsbedingten Energieverlusten abhängt.

7.) Wärmeplanung muss Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit der Lösungen mitdenken!
Wenn Wärmeplanung gebietsbezogen die Potentiale einzelner Lösungen wie Fernwärme, dezentrale Wärmeerzeugung oder Geothermie festlegt, muss sie auch die Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit der Lösungsansätze berücksichtigen. Neben den vorgegebenen Planungszeiträumen ist auch zu berücksichtigten, welche Infrastrukturmaßnahmen dafür erforderlich sind und welche Kapazitäten für Investitionen verfügbar sind.

8.) Für die Wärmeplanung brauchen wir weniger Bürokratie und schnellere Umsetzungsverfahren!
Um eine klimaneutrale Wärmeversorgung bis 2045 zu erreichen, brauchen wir einen gewaltigen Schub bei der Planung und Umsetzung von Infrastrukturvorhaben. Planungs-, Genehmigungs- und Vergabeverfahren müssen deutlich beschleunigt und vereinfacht werden. Beim Bürokratieabbau für mehr Klimaschutz muss Nordrhein-Westfalen eine Vorreiterrolle spielen.

9.) Wärmeplanung muss wettbewerbsneutral erfolgen!
Kommunen haben die alleinige Verantwortung für die Wärmeplanung. Die Wärmeplanung muss wettbewerbsneutral erfolgen. Es darf nicht dazu kommen, dass die Wärmeplanung und der damit verbundene Datenzugang über kommunale Versorger erfolgen, die mit Hilfe dieser Daten ihre Stellung im Wettbewerb absichern und verbessern. Viele der für die Wärmeplanung benötigten Daten können vom Schornsteinfegerhandwerk bereitgestellt werden.

10.) Die Aufsicht über die Kommunale Wärmeplanung muss geklärt sein!
Die Wärmeplanung stellt viele Kommunen vor große Herausforderungen, bietet ihnen aber auch viele Chancen für ein langfristige und durchdachte Klimastrategie. Es ist deshalb richtig, dass das Land den Kommunen für diese neue Aufgabe Unterstützung anbietet. Der Gesetzgeber muss in NRW allerdings auch Vorkehrungen für den Fall treffen, dass Wärmeplanung in einer Kommune unzureichend, fehlerhaft, wettbewerbsverzerrend oder nicht rechtzeitig vorliegt. Etablierte Instrumente wie das bestehende Gemeindewirtschaftsrecht bieten eine Grundlage, an denen sich eine solche Regelung orientieren kann. Dies beinhaltet insbesondere eine Kommunalaufsicht, durch die Dritte Rechtsschutz in Anspruch nehmen können.

11.) Stadtwerke müssen sich auf leitungsgebundene Versorgungslösungen konzentrieren!
Die kommunale Wärmeversorgung kann mit guten Gründen als leitungsgebundene öffentliche Aufgabe angesehen werden. Dezentrale Lösungen können dagegen sehr gut durch rein privatwirtschaftliche Unternehmen erbracht werden, an denen Kommunen nicht unternehmerisch beteiligt sind. Kommunale Energieversorger müssen sich daher auf leitungsgebundene Lösungen konzentrieren. Die Kommunale Wärmeplanung darf nicht zu einer Verschiebung der gesetzlichen Vorgaben aus dem Gemeindewirtschaftsrecht führen, die den privatwirtschaftlichen Markt für dezentrale Versorgungslösungen zurückdrängen würde. Dafür sollte das Gemeindewirtschaftsrecht präzisiert werden, indem in § 107a GO ausschließlich die leitungsgebundene Versorgungsleistung als öffentliche Aufgabe definiert wird.

12.) Dem Wirtschaftsstandort ist nicht mit selektiven Strompreissubventionen für die Großindustrie gedient, sondern nur mit einem ordnungspolitisch durchdachten Strommarktdesign, das die Wärmekosten für alle Marktteilnehmer möglichst geringhält!
Wenn die Wärmeversorgung künftig stärker elektrifiziert wird, entsteht ein engerer Zusammenhang von Strom- und Wärmeversorgung. Umso wichtiger wird es daher, dass auf dem Strommarkt Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden. Einem festen Strompreis für ausgewählte Industrieunternehmen ist daher eine klare Absage zu erteilen. Er benachteiligt den Mittelstand und verhindert Anreize zur Energieeffizienz. Das Handwerk lehnt einen solchen Industriestrompreis prinzipiell ab, weil mit ihm die Wirkung des Preismechanismus für einzelne Marktteilnehmer außer Kraft gesetzt wird. Wir brauchen ein Strommarktdesign aus einem Guss, das preistreibende Fehlanreize vermeidet und die Möglichkeiten zur Absenkung von energiebezogenen Steuern und Entgelten ausschöpft.